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Pfarrbrief Mai Juni Juli August

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Liebe Schwestern und Brüder,


 

"Dir gebührt die Ehre und Anbetung.
Wir erheben unsere Hände, wir erheben Deinen Namen
(…)
Denn Du bist groß, Du tust große Wunder groß,
niemand anders ist wie Du, niemand anders ist wie Du."

Viele Lieder besingen Gott und sprechen von der Anbetung und Ehre, die Gott gebühren. Das Alte und Neue Testament sind überfüllt mit Lob auf Gott und Seine machtvollen Taten und Wunder. Sie erzählen von einer großen Liebesgeschichte zwischen Gott und Mensch und der Hingabe Gottes an die ganze Menschheit, für die Gott sogar ans Kreuz geht, um sie zu retten und ihr ein ewiges Heil in Seiner Nähe zu schenken.

Was bedeutet eigentlich Gott zu ehren und anzubeten? Der Begriff der Anbetung bezieht sich auf eine innere Haltung der Hingabe an Gott. Sie ist Erkenntnis und Annahme der eigenen Armut und Bedürftigkeit vor Gott und die Bereitschaft zugleich, mit Gott in eine persönliche und intime Beziehung zu treten, auf Seine Stimme zu hören und sich von Seinem Willen leiten zu lassen, im Glauben und Vertrauen auf Seinen Heilsplan. Anbetung ist eine Antwort des Menschen auf die Erfahrung Gottes, Seiner Güte, Liebe, Kraft und Macht im eigenen Leben. Diese innere Haltung findet Ausdruck in den körperlichen Formen, u.a. in den Haltungen des Sich-Kniens, Sich-Beugens oder ZuFüßen-Fallens, von denen die Bibel an vielen Stellen erzählt: Die Sterndeuter warfen sich vor dem neugeborenen König Jesus in der Krippe nieder (vgl. Mt 2,11); Maria Magdalena kniete Jesus zu Füßen (vgl. Mt 26,12-13); die Frauen und die Jünger warfen sich vor dem auferstandenen Jesus nieder (vgl. Mt 28,9.11), um nur einige Beispiele zu nennen.
Papst Benedikt XVI. verstand Anbetung als eine grundsätzliche Lebensweise der Christen, also kein Sich-Kreisen um sich selbst, eigene Bedürfnisse, Vorstellungen oder Pläne, wie es der verehrende alttestamentliche Tanz des ausgewählten Volkes Israel um das goldene Kalb zum Ausdruck gebracht hat. Anbetung ist eine innere Antwort der Menschen auf ein Sich-Schenken Gottes an den Menschen, die Leben gemäß dem Willen Gottes und Hinschauen auf Gott und Seinen Plan bedeutet, ganz im Sinne des Wortes Jesu Christi: "Vor dem Herrn, deinem Gott sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen" (Mt 4,10). Durch solche Hinwendung zu Gott löst sich der Mensch aus der Selbstbezogenheit, Selbstbefriedigung und Abhängigkeit von selbstgemachten Zielen oder Plänen und baut am Heilswerk Gottes für das eigene Leben und das Leben der Mitmenschen. Der König Salomo wusste um Gottes Macht, Weisheit und Führung und seine eigene Machtlosigkeit, Unwissenheit und Fehlbarkeit. Mit Lob, Dankbarkeit und Demut lebte er die Hingabe an Gott vor und bat Gott nur um eins: "Gib deinem Knecht ein hörendes Herz" (1. Kön 3, 9), d.h. hilf mir Gott, nach Deinen Geboten zu leben, Deinen Willen in meinem Leben zu erkennen und Deinem Plan gehorsam zu sein.

Der Soziologe Hartmut Rosa spricht von "Beschleunigung" und "Entfremdung" in der heutigen Gesellschaft, in der Menschen in ihrem Denken, Sprechen, Reagieren, Tun und Leben so schnell sind, dass sie sich von den Beziehungen, sich selbst, der Welt und auch Gott und seinen Heilsplan entfremden und somit sogar den Lebenssinn verlieren. Er verweist dabei auf die Krise der "Anrufbarkeit", die er mit dem Begriff des "hörenden Herzens" in Verbindung bringt. "Hörendes Herz" bedeutet für ihn "sich anrufen lassen", "aufhören", "anhalten", "sich verwandeln lassen", "zu einem neuen Atem kommen", "zu einer neuen Lebendigkeit finden"… Nach dem Vorbild Salomos heißt es also im Alltag still werden, die Aufgaben unterbrechen, sich für Gott öffnen, Gott näher kommen, Seiner Stimme lauschen, sich von Ihm Wege zeigen lassen und diesen folgen...

Es ist Anbetung, ein Sich-Hineinnehmen-Lassen in die heilsame Nähe Gottes, ein Hinblicken auf Gott...

Mit dieser Haltung verabschieden wir den Monat Mai, in dem wir uns zu einem Lobpreisevent in der St. Nikolaus Kirche versammeln. Wir werden unseren Alltag unterbrechen, auf unser Geliebt-Werden und Angenommen-Werden durch Gott mit unserem Gesang, Musizieren, Tanz, Gebet und Dasein in Seiner Gegenwart antworten. Mit dieser Haltung möchten wir auch in die Sommerferien einstimmen, die einen Raum öffnen, ein hörendes Herz zu üben.

Ich wünsche Ihnen viele Gelegenheiten und Anlässe, mit Gott in eine persönliche und intime Verbindung zu kommen, sei es am Strand, im Wald, im Garten oder auf dem Balkon. Egal, wo Sie Gott suchen, Er ist schon da und wartet sehnsüchtig auf Ihr Kommen zu Ihm. So wie Er im Garten Eden Adam gerufen hat: "Wo bist du?", so ruft Er auch heute nach Ihnen. Nehmen Sie sich Zeit, unterbrechen Sie Ihren Alltag und Ihre Aufgaben und folgen Sie Seinem Ruf. Denn Ihre Seele sehnt sich auch nach der Begegnung mit Gott: "Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu Dir" Ps 42,2

Eine gesegnete und erfüllende Zeit!

Ihre Justyna Ellis